Mittwoch, 13. Juni 2012

Von entscheidender Bedeutung ist die Unverträglichkeit


"Mein rheumatischer Schub begann im Herbst 2010 mit 55 Jahren. Ich war gerade am Ende einer halbjährigen beruflichen Auszeit und zum Abschluss mit meinem erwachsenen Sohn nach Buenos Aires gereist. Schon als ich aus dem Flugzeug stieg, konnte ich kaum noch gehen. In den drei Wochen, die ich danach in Argentinien verbrachte, kamen noch Schmerzen in den Schultern, Handgelenken und im Lendenwirbelbereich hinzu.

Allerdings gab es immer mal Tage dazwischen, an denen ich beinahe beschwerdefrei war und sogar längere Fußmärsche und den steilen Aufstieg in die oberen Ränge des River Plate Stadions zurück legen konnte. An anderen Tagen konnte ich jedoch kaum noch gehen. 

Die Lage spitzte sich bei der Zwischenlandung des Rückflugs in London so zu, dass ich der Anordnung der Sicherheitskontrolle, meinen Fuß auf ein Bänkchen zu stellen, nicht mehr Folge leisten konnte und unfähig war, meine Arme zu heben, um mich abtasten zu lassen. 

In diesem Zustand kam ich nach Hause. Statt wie vorgesehen an meine Arbeit zurückzukehren, legte ich mich Ende Oktober aufs Krankenlager, das nur noch von Arztbesuchen unterbrochen wurde. Die Schmerzbilder wechselten fast täglich, mal waren es die Schultern, mal das geschwollene Knie, mal die Handgelenke, meistens mindestens zwei Dinge zur Zeit, und mal rechts, mal links, gerne auch im Wechsel. Immer aber waren die Finger stark geschwollen, das blieb sich gleich.

Ich suchte zunächst mein Heil in den alternativen Verfahren, die mich schon seit einigen Jahrzehnten sanft und mit gutem Erfolg durchs Leben begleiten. Diesmal half aber keine Homöopathie, und ebensowenig richteten die Methoden der chinesischen Medizin – Akupunktur und Massagen – aus.
 
Mein Elend verschärfte sich binnen weniger Wochen dramatisch, so dass ich schließlich einverstanden war, mich in die Hände eines empfohlenen Schulmediziners zu begeben. Zum ersten Mal in zwanzig Jahren betrat ich in eigener Sache eine Arztpraxis und verlor zunächst eine Menge Blut. Die Entzündungswerte zeigten sich stark erhöht, die Rheumazeichen hingegen nicht sonderlich auffällig, so dass zunächst von einer bakteriellen Infektion ausgegangen wurde. In meiner Not akzeptierte ich den Vorschlag einer antibiotischen Kur, die im Sande verlief.

Ich erinnerte mich daran, dass ich schon einmal, in meinen späten Zwanzigern, erhebliche und anhaltende Probleme mit meinen Handgelenken gehabt hatte, die weitgehend verschwanden, als ich auf Anraten einer guten Freundin aufhörte, Fleisch zu essen. Weitere Missempfindungen der letztem Jahre in meinen Knien und Füßen hielt ich für Vorzeichen des herauf dämmernden Alters, ebenso die Steifigkeit am Morgen oder nach längeren Phasen des Stehens. Man war eben nicht mehr der Jüngste.

Nun sah ich diese Zeichen in einem anderen Licht. Im Grunde war mein Zustand im Rheumaschub lediglich eine Verschärfung dieser schonbekannten Phänomene, wobei hauptsächlich die Schmerzen in den Schultern, neu hinzu gekommen waren, die mir den Schlaf raubten. Eine Krankheit war ausgebrochen, die sich von langer Hand angekündigt hatte. Ich kaufte sämtliche Bücher, die zum Thema Rheuma zu haben waren und las sie in den langen Nächten, in denen ich kaum noch Schlaf fand. 

Mein Arzt, mit dem ich nach und nach vertrauter wurde und inzwischen freundschaftlich verbunden bin, riet zu weiteren diagnostischen Verfahren, die unergiebig blieben. Erst eine schlichte Röntgenuntersuchung der Hände brachte den Durchbruch. Der Röntgenologe bat mich in sein Kabinett und fragte mich, ob ich jemals eine Schuppenflechte – Psoriasis – an mir beobachtethatte. Auf diese Frage hatte ich gewartet, denn ich hatte selbstschon den Verdacht.

Dann zeigte er die Bilder und sagte, aus intimer Kenntnis und eigenem Erleben, könne er mir sicher sagen, dass es sich bei meinen Gelenkproblemen um Psoriasis Arthritis handele. Die Verdickungen meiner Finger seien eindeutig die so genannten „Wurstfinger“ und auch sonst seien die Anzeichen klar und zusammenhängend.

Nun akzeptierte auch mein geschätzter Arzt den Verdacht als Hypothese, die er kurz davor noch mit der Begründung entkräftet hatte, die Psoriasis Arthritis trete bei wesentlich jüngeren Menschen zum ersten Mal auf. Er schlug vor, quasi als Test auf entzündliches Rheuma eine Stoßtherapie Cortison einzusetzen, was ich nach einiger Überlegung, vielen Skrupeln und weiter ansteigenden Schmerzen noch vor Ablauf der Bedenkzeit akzeptierte. 

Allerdings bat ich ihn darum, nicht parallel mit den Basismedikamenten loszulegen, denn ich hegte die wacklig begründete Hoffnung, einen Weg zu finden, mit dem Ausschleichen des Cortisons medikamentenfrei zu bleiben. Er hingegen nahm an, mit dem Cortisonversuch nachweisenzu können, dass es sich doch anders verhielt.

Die Wirkung der ersten Dosis von 50mg, die ich Mitte Dezember 2010 einnahm, war verblüffend. Nicht nur die Rheumaschmerzen verschwanden wie von Zauberhand, sondern auch die Bewegungseinschränkungen, die ich bis dahin für voraus eilende Alterszeichen gehalten hatte. 

So verbrachte ich Weihnachten 2010 annähernd schmerzfrei und begann gleich, mit rudimentärem Yoga, Chi Gong und regelmäßigem Schwimmen meinen Körper zu mobilisieren. Gelegentlich tauchten auch wieder Schmerzen auf, die aber beherrschbar erschienen, wenn ich sie mit Yogaübungen direkt ansprach. Vor allem die Schultern und der untere Rücken profitierten sehr davon. Ich nahm im neuen Jahr meine Arbeit wieder auf und unternahm erste Dienstreisen, auch mit dem Flugzeug.

Allerdings bemerkte ich relativ bald Nebenwirkungen des Cortison, die ich garnicht mochte. Missempfindungen aller Art paarten sich mit einer Neigung zur Schnappatmung, die sich bis in die Sprache hineinmanifestierte. Indem ich das Cortison reduzierte, stahl ich mich vorden Nebenwirkungen davon, kam aber in der Gegend von 10 mg in eine Phase, in der die Schmerzen wieder deutlich anzogen.

Ich gewöhnte mir an, an jedem Morgen eine Übungseinheit zwischen 20 und 45 Minuten einzulegen, die inzwischen hauptsächlich aus einfachen Yogaübungen bestand. Unabhängig davon, ob ich morgens um sechs Uhr oder um halb neun aus dem Haus muss, turne ich an sieben Tagen die Woche. Maximal an fünf Vormittage im vergangenen Jahr habe ich auf meine Übungen verzichtet. Und das Beste daran: weder sind die Übungen eine Last, noch ihre Regelmäßigkeit öde Routine. Ich mache sie gern und fühle mich danach Tag für Tag sehr wohl. So weit war ich aber noch lange nicht, als ich mit dem Turnen begann.

Inzwischen hatte ich meine Lektüre mehr und mehr auf den Bereich Ernährung und Heilung ohne Medikamente ausgedehnt. Immer noch hoffte ich, einen Weg aus dem Cortison zu finden, der nicht zugleich ein Weg in die Schmerzen war, so wie ich sie vorher erlitten hatte und schon garnicht in die herrschenden Basismedikamente, deren berichtete Nebenwirkungen mich zutiefst erschreckten. Die Angst vor beidem war ein ständiger Begleiter, und als ich bei meinem Versuchauszuschleichen in der Gegend von 10 mg zurück geworfen wurde und wieder bei 20 mg landete, beschloss ich weiter gehende Versuche.

Zum einen unternahm ich eine Reise nach Bad Gastein und machte ein paar Einfahrten in den dortigen Heilstollen. Ob das einschlägig genutzt hat, kann ich nicht sagen. Sicher ist:  ich kam in der Gegend von 10mg Prednisolon dort an, reiste – nach einer erschreckenden Erstverschlechterung der Haut - bei etwa 5 mg wieder ab, und befolgteden Rat der Chefärztin, mindestens eine Woche im Flachland vergehen zu lassen, bevor ich ganz aus dem Cortison ausstieg.

In der Zeit, bevor ich nach Österreich fuhr, fiel mir ein Buch in die Hand, das ausführlich auf die Gefahren der Arachidonsäuren für rheumatische Entzündungsprozesse hinwies, und dessen Empfehlungenvon nun an in großen Lettern über meinem Speisezettel und weitgehend auch dem meiner Familie stand, denn zuhause bin meistens ich der Koch.

Kein Fleisch gab es ja schon vorher, neu war, dass ich keine Eier essen durfte, vor allem kein Eigelb. Kein köstliches Kräuteromelette mehr, bestehend aus zwei Eiern, wie ich es mir in den Zeiten meines Sabbaticals als tägliches Frühstück angewöhnt hatte? Das saß, das war eine erhebliche Einschränkung. 

Die anderen Dinge, die ich wegzulassen hatte, störten mich nicht. Fleisch war, ist und bleibt für mich uninteressant, bei Fisch glich sich das Verhältnis zwischen guten und schlechten Fetteneinigermaßen aus, bei Kaltwasserfischen – Lachs, Hering, Makrele – war es sogar positiv und empfehlenswert.

Die positive Liste war gar kein Problem. Je grüner, desto besser. Broccoli ist ganz vorne und seither stets in meinem Kühlschrank zufinden. Spinat, Paprika, Mangold sind allesamt gute Freunde, und den grünen Tee, der plausibel an sehr unterschiedlicher Orten empfohlen wird, habe ich mir einfach angewöhnt und trinke seither mehrereKannen am Tag. Ich gehe niemals ohne grünen Tee aus dem Haus, schon gar nicht, wenn ich mehrere Tage unterwegs bin. Sämtliche Taschen,die ich benutze, haben ein eigenes Fach für Teebeutel in grün.

Seit Ende März 2011 bin ich medikamentenfrei, und schon im Frühsommer war der anfangs harte Kampf gegen die Rheumazeichen vorbei. Seither schwanke ich auf einer Skala von Null bis Zehn zwischen Eins und Drei, wobei ich bei ungefähr Sechs einen Zustand von Krankheitswert ansetzen würde.

Ich esse immer noch keine Eier. Etwaige Sünden, die ich mehrere Tage hintereinander begangen habe – Eiernudeln hier, ein Stück Kuchenda – merke ich spätestens bei der Übung mit dem Namen „Herabschauender Hund“. Mein rechtes Handgelenk informiert mich darüber, dass ich von nun an strenger sein soll. Und ein paar disziplinierte Tage später erhebe ich mich ohne Schmerzen von dieser Übung.

Und wenn ich mich heute frage, wodurch es zu diesem schlimmen Schub gekommen ist, gibt es mehrere Antworten. Die erste klingt seltsam: Das Sabbatical. Genau genommen, das damit verbundene veränderte Essverhalten. Aus zwei Frühstücken mit Omelette pro Woche wurdensieben, aus vier Eiern wöchentlich vierzehn. Das war keine gute Voraussetzung.

Auchglaube ich, dass die vielen Interkontinentalflüge in jener Zeit an dem Ausbruch beteiligt waren, ebenso an der Verschlechterung. Die Gefangenschaft über mehr als 12 Stunden in der Druckkabine tat meinen Gelenken nicht gut. Die Enge der Holzklasse natürlich auch nicht. Inzwischen war ich Anfang dieses Jahres noch einmal in BuenosAires, und ich habe den Flug und die ganze Reise gut vertragen.

Außerdem dann gab es noch kurz vor dem Ausbruch einen verhängnisvollen Sturz.Ein paar Tage vor dem Abflug 2010 stolperte ich mit dem schlafendenkleinen Kind auf dem Arm über einen Koffer, der im Flur abgestelltund vergessen worden war. Ich bremste den Sturz auf meinem rechtenKnie, das rasch anschwoll und laut späterer Diagnose eine langanhaltende Kapselentzündung zeigte, mal abgesehen von einer starken Dauerschwellung, die von Zeit zu Zeit noch einmal drastisch anzog.

Dennoch bin ich heute überzeugt: Von entscheidender Bedeutung ist die Unverträglichkeit. Ich wette einen neuwertigen Mittelklassewagen, dass ich in der Remission bleiben werde, so lange ich die Regeln der Nahrungsaufnahme respektiere. Und ich finde es einen überausbefreienden Gedanken, dass man selbst auf sein Schicksal Einfluss hat. 

Mag sein, dass es individuelle Unterschiede gibt. In meinem Fall habe ich noch Erdnüsse und tierische Eiweiße im Verdacht, darunter leider auch Käse aller Art. Der herab schauende Hund hält mich darüber auf dem laufenden, und seine Meinung über diese Dinge ist nichtallzu gut.

Und für mich wie für meine Leidensgenossen gilt: Schweinefleisch ist immer schlecht. Innereien sind eine Katastrophe, so auch die beliebte Leberwurst. Eigelb ist kontraindiziert, und grüner Tee ist super, sofern er nicht voller Pestizide ist.

Von der Richtigkeit dieser Entbehrungen bin ich zutiefst überzeugt und schlage vor, besser heute als morgen damit anzufangen. Denn schlimmer als Rheuma kann´s ja nicht werden, und immerhin: Nebenwirkungen der unangenehmen Art sind nicht zu befürchten.

Warum also nicht?"

Bei Fragen wendet Euch bitte direkt an Ralph.

Kontakt: Per E-Mail 

1 Kommentar:

  1. Ein Hallo an Erna,
    ich habe Psoriasis-Arthriris und nehme seit einem Jahren 1x wöchentlich 15mg MTX. Da ich nun doch schon Ende 20 bin und irgendwann auch der Kinderwunsch besteht, interessiere ich mich für ein Mittel gegen Schuppenflechte mit welchem man schwanger werden darf/kann. Gibt es das überhaupt? Medikamente die für so etwas unbedenklich sind während der Schwangerschaft? Danke!

    AntwortenLöschen

Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...